Europas Zahlungsweg in die Unabhängigkeit: Warum die EU nach Alternativen zu Visa und Mastercard sucht

Europa

Die geopolitischen Spannungen der vergangenen Jahre haben eine Frage in den Mittelpunkt gerückt, die lange als technisches Detail galt: Wie abhängig ist Europa im Zahlungsverkehr von den Vereinigten Staaten?

Visa, Mastercard und PayPal dominieren die Infrastruktur des digitalen Bezahlens, und genau das sorgt zunehmend für strategische Besorgnis.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnte mehrfach davor, dass Europa zu verletzlich sei, wenn kritische Plattformen von ausländischen Firmen kontrolliert werden. Digitale Zahlungen müssten unter europäischer Kontrolle bleiben, um wirtschaftliche und politische Stabilität sicherzustellen.

Wie abhängig ist Europa wirklich?

Laut den jüngsten Daten der Europäischen Zentralbank wurden im ersten Halbjahr 2024 über 40 Milliarden Kartentransaktionen registriert. Rund 56 Prozent aller bargeldlosen Zahlungen erfolgten mit Karten und ein Großteil davon über US-Netzwerke.

Doch die Abhängigkeit variiert stark. In Deutschland sind Girocard und nationale Verfahren weiterhin dominant. Über 70 Prozent der Bezahlvorgänge im stationären Handel laufen hierzulande über das heimische System. Frankreich liegt sogar bei 80 Prozent nationaler Verfahren.

Ganz anders sieht es in Irland oder den Niederlanden aus, wo nahezu der gesamte Kartenzahlungsverkehr über Visa und Mastercard abgewickelt wird.

Man zahlt bei Bestellungen im Netz und lässt sich sogar Lebensmittel liefern. Man bucht Flüge und Hotels und reist sowieso am liebsten mit den Kreditkarten und gerade bei digitalen Diensten der Unterhaltung sind sie kaum noch wegzudenken. Schließlich zahlt man mit ihnen für Streaming-Angebote wie Netflix und Co. oder zahlt im Casino für ein paar Runden Poker oder Roulette ein, bei Seiten, wie sie auf https://esportsinsider.com/de/gluecksspiel/casinos-ohne-limit verglichen werden.

Dennoch sind Experten vorsichtig mit dem Begriff Dominanz. Hugo Godschalk, einer der erfahrensten Zahlungsverkehrsberater Europas, weist darauf hin, dass nach Transaktionswert gerechnet weniger als ein Prozent des gesamten europäischen Zahlungsvolumens über US-Kartenanbieter läuft. Aus seiner Sicht fällt der strukturelle Einfluss im Alltag zwar ins Gewicht, im makroökonomischen Zahlungsverkehr jedoch kaum.

Trotzdem bleibt die Kernfrage bestehen. Was geschieht, wenn geopolitische Spannungen einzelne Anbieter zwingen oder bewegen, europäische Transaktionen einzuschränken? Genau hier setzt die Diskussion um europäische Souveränität an.

Die Macht der globalen Plattformen

Selbst dort, wo nationale Kartensysteme robust sind, verschiebt sich die Machtbalance in Richtung Smartphone. Apple Pay, Google Pay und PayPal wachsen zweistellig und erreichen inzwischen annähernd zehn Prozent aller Einzelhandelszahlungen.

Damit verschiebt sich der strategische Fokus. Nicht die Karte selbst ist entscheidend, sondern die Plattform, die darüber liegt. Apple Pay beispielsweise kontrolliert Authentifizierung, Tokenisierung und Zahlungsfluss, obwohl die Girocard oder die französische Carte Bancaire darunter weiterhin existieren.

EZB-Chefökonom Philip Lane bezeichnete die Entwicklung als „globales Machtinstrument“, das zunehmend geopolitische Bedeutung erlangt. Zahlungsverkehr könne, ähnlich wie Energie oder Daten, als Mittel wirtschaftlichen Drucks eingesetzt werden.

Für Europa heißt das, selbst ein eigenes Kartennetz löst nicht automatisch das Problem, solange die Oberflächen den großen US-Technologiekonzernen gehören.

Lässt sich das russische Modell übertragen?

Seit dem Rückzug von Visa, Mastercard und PayPal aus Russland im Jahr 2022 dient das Land vielen Beobachtern als Beispiel für Zahlungsautonomie.

Russland hatte Jahre zuvor vorgeschrieben, dass alle inländischen Transaktionen national verarbeitet werden müssen. Als die US-Anbieter abzogen, blieb der Inlandsbetrieb der Karten funktionsfähig, lediglich das Auslandsgeschäft brach weg.

Ein solches Modell könnte theoretisch auch für Europa funktionieren. Europäische Karten könnten weiterhin Visa- oder Mastercard-Branding tragen und gleichzeitig würde die Verarbeitung vollständig innerhalb der EU stattfinden.

Dadurch ließe sich der Einfluss geopolitischer Entscheidungen begrenzen. Doch die europäische Realität unterscheidet sich grundlegend. 27 Mitgliedstaaten, komplexe Rechtsrahmen und unterschiedliche Zahlungsgewohnheiten erschweren eine einheitliche Lösung. Godschalk schätzt, dass mindestens zwei bis drei Jahre regulatorischer Vorlauf nötig wären, vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten ziehen an einem Strang.

Der digitale Euro und Wero als Alternative

Die Einführung eines digitalen Euros gilt vielen als zentrales Zukunftsprojekt. Seit 2021 arbeitet die Europäische Zentralbank daran, eine staatlich garantierte, digitale Zahlungsmöglichkeit zu schaffen, die Bargeldfunktionalitäten ins digitale Zeitalter überträgt.

Doch das Projekt steckt fest. Die EU-Kommission hat zwar 2023 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, aber das Europäische Parlament konnte sich bislang nicht auf ein Mandat einigen.

Offen sind Fragen wie: Werden Banken verpflichtet, digitale-Euro-Konten anzubieten? Müssen Händler ihn akzeptieren? Und wie wird Datenschutz gewährleistet?

Viele Banken befürchten Einlagenverluste, Konsumenten sehen keinen klaren Mehrwert. Der digitale Euro bleibt damit ein Projekt von großer strategischer Bedeutung, aber ungewisser Zukunft.

Und wie steht es um Wero? Die European Payments Initiative (EPI) wurde 2020 gegründet, um eine europäische Antwort auf die Dominanz von Visa, Mastercard und PayPal aufzubauen.

Ihr Produkt Wero, gestartet 2024, funktioniert ähnlich wie PayPal. Geld kann über Telefonnummer oder E-Mail-Adresse versendet werden, ohne IBAN-Eingabe, in Echtzeit und mit hoher Nutzerfreundlichkeit.

Obwohl Wero in mehreren Ländern technisch verfügbar ist, kennt die breite Öffentlichkeit es nicht. Laut einer Verivox-Umfrage vom Herbst 2024 wussten 90 Prozent der Deutschen nicht, was Wero ist.

Das zeigt das zentrale Problem vieler europäischer Projekte. Sie sind technisch solide und politisch erwünscht, aber kaum sichtbar für Verbraucher.

Warum Europa kein eigenes Kartennetz aufgebaut hat

Mehrere Anläufe, ein europäisches Kartensystem zu schaffen, sind gescheitert. Die Gründe liegen im Zusammenspiel aus Marktstrukturen, Konsumentenverhalten und politischer Fragmentierung.

Grenzüberschreitende Kartenzahlungen sind in Europa, anders als in den Vereinigten Staaten, relativ selten. Die meisten Zahlungen finden im Heimatland statt, was die Wirtschaftlichkeit eines paneuropäischen Netzes reduziert.

Zudem waren Deutschland und Frankreich lange sehr zufrieden mit ihren eigenen Systemen.
Und schließlich wurden viele nationale Initiativen im Laufe der Jahre von US-Unternehmen übernommen. Das ist ein ironischer Ausgang für Projekte, die ebendiese Abhängigkeit verringern wollten.

Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob Europa im Zahlungsverkehr Autonomie gewinnt oder weiter auf externe Infrastruktur angewiesen bleibt.

Eine klare Richtung deutet sich ab:

  • Regulatorische Souveränität: Ein EU-weiter Rahmen, der die Inlandsverarbeitung garantiert, könnte die Verwundbarkeit deutlich reduzieren.
  • Stärkung europäischer Systeme: Wero und die Girocard könnten, strategisch kombiniert, die Basis eines robusten europäischen Zahlungssystems bilden.
  • Digitaler Euro als Ergänzung: Nicht als Ersatz, sondern als zusätzliche Schicht könnte der digitale Euro langfristig Sicherheit, Datenschutz und europäische Kontrolle stärken.

Doch alles hängt davon ab, ob Europas Regierungen und Banken bereit sind, gemeinsam zu handeln, und ob die Verbraucher überhaupt Interesse an europäischen Alternativen entwickeln.

Der Weg zur Unabhängigkeit ist also möglich, aber anspruchsvoll. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Europa diesen Weg konsequent geht oder weiterhin auf die etablierten US-Plattformen setzt.

admin@srnachrichten.de

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